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In der Stadt aber dauert die Bewegung; wie die Sonne sinkt, treibt die heitere Aufregung des Tages die Bürger wieder in die Straßen, jetzt freuen sie sich geschäftslos des milden Abends, und jetzt erst beginnt ihnen der Genuß des Tages. Nicht im Hanse, und nicht bei Weib und Kind, sondern auf der Straße unter den Genossen.
Dir Jagd im Mittelaltrr.
Vvn Jakob Falke. Aus: Deutsches Lesebuch von Dr. L. Bellermann rc.
Berlin 1894.
Mit jedem großen Hoslager, das ein Fürst oder ein reicher, mächtiger Herr abhielt, war ein Jagdfest verbunden, und nicht minder mußte dieses Vergnügen über die Einsamkeit des gewöhnlichen Burglebens die größere Hälfte des Jahres hinweghelfen. Freilich war auch damals schon der Herbst die Hauptzeit der Jagd, namentlich der größeren. Die Monate August und September waren besonders für den Hirsch bestimmt, dem dann die Jagd auf das Wildschwein bis in den tiefen Winter hinein folgte. Zu der übrigen Zeit gab es hinlänglich Beschäftigung, wenn man sie wollte, mit der kleineren Jagd oder mit der Falknerei. Man jagte im Frühling, zu Ostern und Pfingsten: die Leidenschaft ließ sich noch wenig in strenge Zeitgesetze einschränken, wie sie durch die heutige Jagdorduuug gebunden ist. Dem Wildschwein trat man männlich kühn mit dem Spieße entgegen und nahm es im persönlichen Kampfe mit ihm auf. Dies war die gewöhnliche Weise. Sonst suchte man es auch wohl gut beritten in Begleitung von Sauhunden auf und führte dabei ein tüchtiges Schwert oder ebenfalls einen Spieß. Die kleinere Jagd zu Lande wie zu Wasser, aus der Flur wie im Wald, ans Hasen, Kaninchen und Geflügel aller Art betrieb man auf mancherlei Weise: man stellte Garne aus, trieb und fing das Wild in Netzen, man verfolgte es mit verschiedenen Hiinden, man bediente sich der Tücher, der Lockvögel und der Schlingen.
Die Jagd war unter allen Verhältnissen eine Würze der Gesellschaft, daher denn auch die Frauen mit Eifer nicht bloß als
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Extrahierte Personennamen: Jakob_Falke L._Bellermann August
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diesen gewaltigen Zuchtmeister verstehen, wie er so atemlos dnrchs Leben stürmte, der Spott und Schrecken seiner Zeitgenossen, rauh und roh scheltend und fuchtelnd, immer im Dienst, sein Volk und sich selber zu heißer Arbeit zwingend, ein Mann von altem deutschen Schrot und Korn, kerndeutsch in seiner kindlichen Offenheit, seiner Herzensgute, seinem tiefen Pflichtgefühl wie in seinem furchtbaren Jähzorn und seiner formlos-ungeschlachten Derbheit. Der alte Haß des norddeutschen Volkes wider die alamodische Feinheit der welschen Sitten, wie er aus Laurenbergs niederdeutschen Spottgedichten sprach, gewann Fleisch und Blut in diesem königlichen Bürgersmanne: auch seine Härte gegen Weib und Kind zeigte ihn als den echten Sohn jenes klassischen Zeitalters der deutschen Haus-tyranuen, das alle Leidenschaft des Mannes ans dem unfreien öffentlichen Leben in die Enge des Hauses zurückdrängte. Streug und freudlos, abschreckend kahl und dürftig ward das Leben unter dem Regiments des gestrengen Herrschers. Die harte Einseitigkeit seines Geistes schätzte nur die einfachen sittlichen und wirtschaftlichen Kräfte, welche den Staat im Innersten zusammenhalten; er warf sich mit der ganzen Wucht seines herrischen Willens auf das Gebiet der Verwaltung und bewährte hier die ursprüngliche Kraft eines schöpferischen Geistes. So fest und folgerecht wie einst Wilhelm der Eroberer in dem unterworfenen England richtete Friedrich Wilhelm I. den Bau des Einheitsstaates über der Trümmerwelt seiner Territorien auf. Doch nicht als ein Landgnt seines Hauses erschien ihm der geeinte Staat wie jenem Normannen; vielmehr lebte in dem Kopfe des ungelehrten Fürsten merkwürdig klar und bewußt der Staatsgedauke der neuen Naturrechtslehre: daß der Staat bestehe zum Besten aller und der König berufen sei, in unparteiischer Gerechtigkeit über allen Ständen zu walten, das öffentliche Wohl zu vertreten gegen Sonderrecht und Sondervorteil. Diesem Gedanken hat er sein rastloses Schaffen gewidmet; und wenn sein Fuß mit den lockeren Sitten des väterlichen Hofes mich alle die Keime reicherer Bildung gewaltsam zertrat, die unter Friedrich I. sich zu entfalten begannen, so that er doch das Notwendige. Die feste Manneszucht eines wehrhaften, arbeitsamen Volkes war für
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Preußens Zukunft wichtiger als jene vorzeitige Blüte der Kunst und Wissenschaft.
Eine sanftere Hand, als die seine war, hätte die Zuchtlosigkeit altständischer Libertät niemals unter die Majestät des gemeinen Rechts gebeugt; zartere Naturen als diese niederdeutschen Kerneichen Friedrich Wilhelm und sein Wildling Leopold von Dessau hätten dem Sturmwinde welschen Wesens, der damals über die deutschen Höfe dahinfegte, nie widerstanden. Als Organisatoren der Verwaltung sind diesem Soldatenkönige unter allen Staatsmännern der neuen Geschichte nur zwei ebenbürtig: der erste Konsul Bonaparte und der Freiherr von Stein. Er verband mit der Kühnheit des Neuerers deu peinlich genauen Ordnungssinn des sparsamen Hansvaters, dem weder die schwarzundweißen Heftfäden der Aktenbündel noch die Gamaschenknöpfe der Grenadiere entgingen; er saßte verwegene Pläne, die erst das neunzehnte Jahrhundert zu vollführen vermocht hat, und hielt doch im Handeln mit sicherem Blicke die Grenzen des Möglichen ein. Sein prosaischer, ans das Handgreiflich-Nützliche gerichteter Sinn ging andere Wege als die schwungvolle Heldengröße des Großvaters, doch mitten im Sorgen für das Kleinste und Nächste bewahrte er stets das Bewußtsein von der stolzen Bestimmung seines Staates; er wußte, daß er die Kräfte des Volkes sammle und bilde für die Entscheidungsstunden einer größeren Zukunft, und sagte oft: „Ich weiß wohl, in Wien und Dresden nennen sie mich einen Pfennigklauber und Pedanten, aber meinem Enkel wird es zu gute kommen!"
Zn der Steuerpflicht, welche der große Kurfürst seinen Unterthanen auferlegt, fügte Friedrich Wilhelm I. die Wehrpflicht und die Schulpflicht hinzu; er stellte also die Treizahl jener allgemeinen Bürgerpflichten fest, welche Preußens Volk zur lebendigen Vaterlandsliebe erzogen haben. Ahnungslos brach sein in der Beschränktheit gewaltiger Geist Bahn für eine strenge, dem Bürgersinne des Altertums verwandte Staatsgesinnung. Ter altgermanische Gedanke des Waffendienstes aller wehrbaren Männer war in den kampfgewohnten deutschen Ostmarken selbst während der Zeiten der Söldnerheere niemals gänzlich ausgestorben. In Ostpreußen be-
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voraus und legte durch das Schulgesetz von 1717 jedem Hausvater kurzab die Pflicht auf. seine Kinder in die Schnle zu schicken. Sehr langsam hat sich aus dein Boden dieses Gesetzes das preußische Volksschulwesen ausgebildet. Tie Entwickelung ward erschwert nicht bloß durch die Armut und Trägheit des Volkes, sondern auch durch die Schuld des Königs selber; denn alle Volksbildung ruht auf dem Gedeihen selbständiger Forschung und schöpferischer Kunst, und für das ideale Schaffen hatte Friedrich Wilhelm nur den Spott des Barbaren.
Jetzt am wenigsten konnte die deutsche Nation ein Verständnis gewinnen für die seltsame Erscheinung dieses waffenstarken Staates, wie er so dastand, eine jugendlich-unreife Gestalt, knochig und sehnig, Kraft und Trotz im Blicke, aber unschön, ohne die Fülle der Formen, aller Anmut, alles Adels bar. Tie alte Abneigung der Teutschen gegen das vordringliche Brandenburg wurde durch die böo-tische Rauheit Friedrich Wilhelms I. bis zu leidenschaftlichem Widerwillen gesteigert. Dem Historiker ziemt es nicht, die erschreckend grellen Farben unserer neuen Geschichte mit weichem Pinsel zu vermischen: es ist nicht wahr, daß dieser tiefe Haß der Nation nur verhaltene Liebe gewesen sei. Damals bildete sich in der öffentlichen Meinung jene aus Wahrem und Falschem seltsam gemischte Ansicht vom Wesen des preußischen Staates, die in den Kreisen der deutschen Halbbildung an hundert Jahre lang geherrscht hat und noch heutzutage nt der Geschichtschreibung des Auslandes die Oberhand behauptet. Dies Land der Waffen erschien den Teutschen wie eine weite Kaserne. Nur der dröhnende Gleichtritt der Potsdamer Riesengarde, der barsche Kommandornf der Offiziere und das Jammergeschrei der durch die Gasse gejagten Deserteure klang aus der dumpfen Stille des großen Kerkers ins Reich hinüber; von den Segenswünschen, welche der dankbare litauische Bauer für seinen gestrengen König zum Himmel schickte, hörte Deutschland nichts. Der Adel im Reich sah eben jetzt goldene Tage. In Hannover waltete das Regiment der Herren Stände schrankenlos, seit der Kurfürst im fernen England weilte; das sächsische Junkertum benutzte den Übertritt seines Königs zur römischen Kirche, um sich
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verdammt er in scharfen Worten die Schwäche des heiligen Reichs, das feine Thermopylen, das Elsaß, dem Fremdling geöffnet habe; er zürnt ans den Wiener Hos, der Lothringen an Frankreich preisgegeben; er will es der Königin von Ungarn nie verzeihen, daß sie die wilde Mente jener Grazien des Ostens, Jazygen, Kroaten und Tolpatschen, ans das deutsche Reich losgelassen und die mosko-witischen Barbaren zum ersten Male in Deutschlands innere Händel herbeigerufen hat. Dann während der sieben Jahre entladet sich sein deutscher Stolz und Haß oft in Worten grimmigen Hohnes. Den Russen, die ihm seine neumärkischen Bauern ausplündern, sendet er den Segensspruch: „O könnten sie ins schwarze Meer mit einem Sprunge sich versenken!" und als die Franzosen das Rheinland überfluten, da singt er, freilich in französischer Sprache, jene Ode, die an die Klänge des Befreiungskrieges gemahnt:
Bis in seine tiefste Quelle Schäumt der alte Rheiu vor Groll;
Fluch der Schmach, daß seine Welle Fremdes Joch ertragen soll!
„Die Klugheit ist sehr geeignet zu bewahren, was man besitzt, doch allein die Kühnheit versteht zu erwerben" — mit diesem Selbstgeständnis hat Friedrich in seinen Rheinsberger Tagen verraten, wie ihn sein innerstes Wesen zu rascher Entschließung, zu stürmischer Verwegenheit drängte. Nichts halb zu thun, gilt ihm als die oberste Pflicht des Staatsmannes, und unter allen denkbare» Entschlüssen scheint ihm der schlimmste —- keinen zu fassen. Doch er zeigt auch hierin sein deutsches Blut, daß er die feurige Thatenlust von srühanf zu bändigen weiß durch die kalte nüchterne Berechnung. Der die Heldenkraft eines Alexander in sich fühlte, besthieb sich, das Dauernde zu schaffen in dem engen Kreise, darein ihn das Schicksal gestellt. Im Kriege läßt er dann und wann seinem Feuergeiste die Zügel schießen, forbert das Unmögliche von seinen Truppen und sehlt durch die stolze Geringschätzung des Feinbes; als Staatsmann bewährt er immer eine vollenbete Mäßigung, eine weise Selbstbeschränkung, die jeben abenteuerlichen Plan sogleich an der Schwelle abweist.
Bilder deutscher Kriltur und Geschichte. 15
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Extrahierte Personennamen: Friedrich Friedrich Alexander Alexander
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An Friedrichs Beispiel und nn beit menschenfreundlichen Gebauten der neuen Aufklärung bilbete sich das heranwachsenbe Geschlecht des hohen Abels. Auf die kleinen Sultane, die zur Zeit Friedrich Wilhelms I. gehaust, folgte jetzt eine lange Reihe wohlmeinender, pflichtgetreuer Landesväter, wie Karl Friedrich von Baden, Friedrich Christian von Sachsen. Schon geschah es häufiger, daß die Prinzen nach preußischer Weise eine militärische Erziehung erhielten; kirchliche Duldsamkeit, Förderung des Wohlstandes und der Schulen galten als Fürstenpflicht; einzelne Kleinstaaten, wie Brann-schweig, gewährten der Presse noch größere Freiheit als Preußen selber. Sogar in einigen geistlichen Gebieten trat eine Wendung zum Besseren ein; das Münsterland pries die milde und sorgsame Verwaltung seines Fürstenberg. Friedrichs gelehrigste Schülerin aber wurde Maria Theresia; sie hat den Gedanken der friebericia-ntschen Monarchie in der katholischen Welt verbreitet. Von schwachen Nachbarn umgeben, hatte das alte Österreich bisher sorglos und schläfrig dahingelebt; erst das Erstarken des ehrgeizigen Nebenbuhlers im Norden zwang den Kaiserstaat, seine Kräfte tapfer anzuspannen.
Tie große Zeit der alten Monarchie ging zur Rüste. Um den König ward es still und stiller; die Helden, die seine Schlachten geschlagen, die Freunde, die mit ihm gelacht und geschwärmt, sanken einer nach dem anderen ins Grab; der Fluch der Größe, die Einsamkeit, kam über ihn. Er war gewohnt, kein menschliches Gefühl zu schonen; waren ihm doch selber einst alle wonnigen Träume der Iugeud durch den unbarmherzigen Vater zertreten worben. Im Alter warb bic rücksichtslose Strenge zur unerbittlichen Härte. Der ernste Greis, der in spärlichen Mußestunden einsam mit feinen Windspielen an den Gemälden der Galerie von Sanssouci entlang schritt, oder im runden Tempel des Parkes schwermütig der verstorbenen Schwester gedachte, sah tief unter feinen Füßen ein neues Geschlecht kleiner Menschenkinder dahinziehen; sie sollten ihn fürchten und ihm gehorchen, an ihrer Liebe lag ihm nichts. Die Übermacht des einen Mannes lastete brückend auf den Gemütern. Wenn er
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die Wissenschaft lebendig erhält, unendlich die Arbeit, unendlich der Fortschritt, und in dieser Unendlichkeit der irdischen Arbeit liegt alles Glück, alles Leben des Menschengeschlechts, und die Bürgschaft der Dauer.
Friedrich der Grotzr, seine Jugend- und Lehrzeit.
Gustav Freytag, Bilder aus der deutschen Vergangenheit.
Aus neuerer Zeit. Leipzig 1871.
Es war ein freudeleeres Leben im Königsschloß zu Berlin, als Friedrich heranwuchs, so arm an Liebe und Sonnenschein, wie in wenig Bürgerhäusern jener rauhen Zeit. Man dars zweifeln, ob der König, sein Vater, oder die Königin größere Schuld an der Zerrüttung des Familienlebens hatten, beide nur durch Fehler ihres Naturells, welche in den unaufhörlichen Reibungen des Hauses immer größer wurden. Der König, ein wunderlicher Tyrann, mit weichem Herzen, aber einer rohen Heftigkeit, die mit dem Stock Liebe und Vertrauen erzwingen wollte, von scharfem Menschenverstand, aber so unwissend, daß er immer in Gefahr kam, Opfer eines Schurken zu werden, und in dem dunklen Gefühl seiner Schwäche wieder mißtrauisch und von jäher Gewaltsamkeit; die Königin dagegen, keine bedeutende Frau, von kälterem Herzen, mit einem starken Gefühl ihrer fürstlichen Würde, dabei mit vieler Neigung znr Intrigue, ohne Vorsicht und Schweigsamkeit. Beide hatten den besten Willen und gaben sich ehrlich Mühe, ihre Kinder zu tüchtigen und guten Menschen zu machen, aber beide störten unverständig das gesunde Aufleben der Kinderseele. Tie Mutter hatte die Taktlosigkeit, die Kinder schon im zarten Alter zu Vertrauten ihres Ärgers und ihrer Intriguen zu machen; denn über die unholde Sparsamkeit des Königs, über die Schläge, die er so reichlich in seinen Zimmern austeilte, und über die einförmige Tagesordnung, die er ihr aufzwang, nahm in ihren Gemächern Klage, Groll, Spott kein Ende. Der Kronprinz Friedrich wnchs im Spiel mit seiner ältern Schwester heran, ein zartes Kind mit leuchtenden Augen und wunderschönem blonden Haar. Pünktlich wurde ihm gerade so viel
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bock mit den Schafen ausgetrieben werden dürfe, daß alle farbigen Schafe, graue, schwarze, melierte binnen drei Jahren gänzlich abgeschafft und nur feine weiße Wolle geduldet werden solle; wenn er genau vorschrieb, wie die kupfernen Probemaße des Berliner Scheffels, die er durch das gauze Land — auf Kosten der Unterthanen — verschicken ließ, aufbewahrt und verschlossen werden sollten, damit sie keine Beulen bekämen; wenn er, um die Linnen- und Wollenindustrie in die Höhe zu bringen, verordnete, seine Unterthanen sollten durchaus nicht den modischen Zitz und Kattun tragen, hundert Thaler Strafe und drei Tage Halseisen drohe jedem, der nach acht Monaten in seinem Hanse noch einen Lappen Kattun an Schlafrock, Mütze, Möbelüberzug duldeu würde, so erschien solche Methode zu regieren allerdings hart und kleinlich. Aber den klugen Sinn und die wohlwollende Absicht, die hinter solchen Erlassen erkennbar war, lernte der Sohn doch ehren, und er selbst eignete sich allmählich eine Menge von Detailkenntnissen an, die sonst einem Fürstensohn nicht geläufig werden: Werte der Güter, Preise der Lebensmittel, Bedürfnisse des Volkes, Gewohnheiten, Rechte und Pflichten des kleinen Lebens. Es ging sogar ans ihn viel von dem Selbstgefühl über, womit der König sich dieser Geschäftskenntnisse rühmte. Und als er der allmächtige Hauswirt seines Staates geworben, da wurde der unermeßliche Segen offenbar, den seine Kenntnis des Volkes und des Verkehrs haben sollte. Nur dadurch wurde die weise Sparsamkeit möglich, mit welcher er sein eigenes Haus und die Finanzen verwaltete, seine unablässige Sorge für das Tetail, wodurch er Laudbau, Handel, Wohlstand, Bildung seines Volkes erhob. Wie die Tagesrechnnngen seiner Köche, so wußte er die Anschläge zu prüfen, in denen die Einkünfte der Domänen, Forsten, der Accise berechnet waren. Daß er das Kleinste wie das Größte mit scharfem Auge übersah, das verdankte sein Volk zum größten Teil den Jahren, in denen er gezwungen als Assessor am grünen Tische zu Ruppin saß.
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Friedrich der Grohr.
Von L. Häusser.
Als Friedrich Ii. den Thron bestiegen, ließen schon seine ersten Schritte in jedem Zuge den König erkennen. Die etwa hofften, er werde nun Rheinsberg nach Potsdam tragen, wurden freilich enttäuscht; Freunden, Genossen und Verwandten gegenüber zeigte er den Herrscher in seinem Ernste und seinem Pflichtgefühle. Tie geistreichen Gesellschafter und Freunde blieben zwar dem Könige, was sie dem Kronprinzen gewesen, aber sie regierten den Staat nicht und teilten sich nicht in die hohen Ämter und Stellen. Dagegen ward manche schadenfrohe Hoffnung vereitelt, daß der junge König seinen Groll auslasten würde gegen Widersacher des Kronprinzen. In den Organen und Personen, mit denen der Vater regierte, trat zunächst kein wesentlicher Wechsel ein; vielmehr war ein ähnlicher Ton von Sparsamkeit, Strenge und Pflichteifer unter dem neuen wie unter dem alten Könige durchzufühlen. Aber doch glich die neue Regierung der alten nicht; ihre Haltung war freier, geistiger und trug in allem Einzelnen ein edleres, humaneres Gepräge. Ten Generalen empfahl der König Milde gegen die Untergebenen, den Ministern genaue Wahrung des Landesinteresses, dem fortan das des Fürsten nicht mehr entgegenstehen dürfe; den Sekten verhieß er Duldung, der Presse ließ er einen freiern Spielraum, die Rechtspflege sollte unabhängig sein, aus dem Strafprozeß begann die Folter zu verschwinden. Das Heer wurde gemehrt, aber auch drohender materieller Not gesteuert, die friedlichen Künste des Gewerbesteißes, der Wissenschaft und der Kunst nicht vernachlässigt-So innren die ersten Anfänge der neuen Regierung.
Drum empfing ihn nicht etwa nur der geläufige Jubel, der, von dem Reize des Neuen bestimmt, jebe junge Regierung begrüßt: es ging vielmehr eine Ahnung durch die Gemüter, daß das Erbe an Wohlstand und kriegerischer Macht, wie es der Vater hinterlassen, hier ans einen Fürsten übertragen ward, der die Kraft und den Ehrgeiz besaß, bieses Überlieferte in großer und eigentümlicher
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Überall ixt den Städten der Heerstraße wurden für die Heimkehrenden Lazarette eingerichtet, und sogleich waren alle Krankenstuben überfüllt, giftige Fieber verzehrten dort die letzte Lebenskraft der Unglücklichen. Ungezählt sind die Leichen, welche herausgetragen wurden, auch der Bürger mochte sich hüten, daß die Ansteckung nicht in fein Haus drang. Wer von den Fremden vermochte, schlich deshalb nach notdürftiger Ruhe, müde und hoffnungslos der Heimat zu. Tie Buben auf der Straße aber sangen: „Ritter ohne Schwert, Reiter ohne Pferd, Flüchtling ohne Schuh, nirgend Rast und Ruh. So hat sie Gott geschlagen, mit Mann und Roß und Wagen", und hinter den Flüchtlingen gellte der höhnende Ruf: „Tie Kosaken sind da!" Tarnt kam in die flüchtige Masse eine Bewegung des Schreckens und schneller wankten sie zum Thore hinaus.
Tas waren die Eindrücke des Jahres 1813. Unterdes hatte die Zeitung gemeldet, daß General Aork mit dem Russen Wittgenstein die Konvention von Tauroggen abgeschlossen hatte. Und mit Schrecken hatte der Preuße gelesen, daß der König den Vertrag verwarf, deu General feines Kommandos entsetzte. Aber gleich darauf sagte man sich, daß das nicht Ernst werden könne, denn der König war aus Berlin, wo sein teures Haupt unter den Franzosen nicht mehr sicher war, nach Breslau abgereist. Jetzt hoffte man.
In der Berliner Zeitung vom 4. März las man unter den angekommenen Fremden noch französische Genräle, aber an demselben Tage betrat Herr von Tschernifchef, „Kommandeur eines Corps Kavallerie", in friedlicher Ordnung die Hauptstadt.
Seit drei Monaten wußte man, daß der russische Winter und das Heer des Kaisers Alexander die große Armee verdorben hatten. Schon in der Weihnachtszeit hatte Gropins für die Berliner den Brand von Moskau im Diorama aufgestellt. Seit einigen Wochen waren unter den neuen Büchern häufig solche, welche russisches Wesen behandelten, Beschreibungen des Volkes, russische Dolmetscher, Hefte russischer Nationalmusik. Was vom Esten kam, wurde verklärt durch den leidenschaftlichen Wunsch des Volkes. Niemand mehr, als die Vortruppen des fremden Heeres, die Kosaken. Nächst
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Extrahierte Personennamen: Ernst März Alexander Alexander